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Schule und Spiel waren Lebensinhalt. Erstere etwas weniger, letzteres etwas mehr. Wir spielten Völkerball und Jägerball "op Zackeräes", "strööften" schon mal durch Grotenraths Gärtnerei und untersuchten bei Schwartz den Schießstand der "Alten Kameraden" des Kriegervereins auf Bleistückchen, die man einschmelzen konnte.

In Broich durchstreiften wir die Kiesgruben von Wahlen, Körfer, Kellenter und Schunck. An der Einfahrt zu "Körfers Kisskull", etwas zurückliegend von der Broicher Straße, waren noch einige Kellerfundamente, wahrscheinlich aus den Jahren 1934/35, als der RAD (Reichsarbeitsdienst) dort ein Lager hatte, als diese Straße begradigt und ausgebaut wurde. In diesen Fundamenten fanden wir jede Menge dicker, fieser Kröten, mit denen dann die Mädchen erschreckt wurden. Dieses Gelände wurde nach dem Krieg mit viel Eigenleistung der Mitglieder zu einem Fußballplatz des VfR hergerichtet. Und hier erntete Onkel Klaus Johnen begeisterten Applaus, als er von der "Tribüne" aus (einem Abhang vor Wöbels Wiese) mit seiner prächtigen Glatze einen verirrten Ball ins Spiel zurückköpfte.

Wir liefen zu Kettenkarussell und Kletterstange, zu Schiffschaukel und Lakritzenstand, wenn auf der großen Wiese hinter der Wirtschaft Schwartz Kirmes war. Das Kirmesgeld der Eltern war allzu schnell ausgegeben, doch die Großmutter und Onkel Albert Wirtz ließen sich fast immer zu einer "Zugabe" überreden.

Zwischenzeitlich hatte, für uns Kinder eigentlich unbemerkt, der Krieg begonnen.

Eines Tages lag auf dem Kirmesplatz bespannte Artillerie, die auf dem Weg nach Westen war. Wir räuberten daheim die Blumen aus den Gärten, um Pferde und Kanonen damit zu schmücken. Es muß Spätsommer gewesen sein, denn ich entsinne mich noch genau, daß ich von uns blaue Strauchastern aus dem Vorgarten abschnitt, die dort in der Rundung hinter dem Törchen standen. Im Dorf begann die Einquartierung, die Säle von Schwartz und Wirtz waren belegt mit Soldaten, die auf Stroh schliefen. Fast jedes Haus musste Zimmer freimachen für die Soldaten, ob man wollte oder nicht. Doch in der Euphorie der ersten Kriegsjahre waren alle fast ein wenig stolz auf "ihre" Soldaten. Wir hatten zuerst einen Leutnant der Luftwaffe, ich glaube, er hieß Pelke. Später dann zwei Infanteristen, Sinnig und Stegemann. Bei Dittmann in der Milchküche war zeitweise eine Kantine, aus der ich -über meine guten "Beziehungen" zu Heinz Dittmann - schon mal was abbekam.

Mit Heinz Dittmann und Egon Dörsch bastelte ich aus einem uralten Kinderwagen-Untergestell und einer Bohnenstange ein Geschütz. Das französische Offizierskäppi (auf dem Bild Seite 26) gehörte Egon und Frau Dörsch war sauer, daß ich es beim Fotografieren trug und nicht ihr Egon.

Wenn wir - nach dem Krieg - von dieser Zeit sprachen, dann erzählte Mutter von ähnlichen Situationen der Einquartierung nach dem 1. Weltkrieg. Nur waren es die damals sehr ungeliebten Franzosen, die das Rheinland besetzt hatten und sich da einquartierten, wo es ihnen gefiel. Sie kannte auch noch einen Satz, den sie damals gelernt hatte:

Le Boeuf - das Rind , la vache - die Kuh, fermez la porte - die Tür mach zu !

Aus jener Zeit also stammen viele " verdeutschten" Wörter, deren wir uns auch heute noch bedienen, allerdings fast nur in unserer Mundart.

Nachfolgend einige Beispiele:

Dialekt Hinweis Englisch Deutsch "*"column added by webWürselen
Jäff mich ens de Forschet fourchette - Gabel please give me the fork Gib mir bitte die Gabel

Rêck mich ens d'r Mostert

moutarde – Senf

Please give me the mustard

Reich mir bitte den Senf

Mer setzt sich nêt op de Froneus

fourneuse -Küchenherd

You don't sit on the kitchen stove

Man setzt sich nicht auf den Küchenherd

Adie dann á Dieu - Gott befohlen – Auf Wiedersehen Good bye Auf Wiedersehen
E jaloues Wiffje jaloux - eifersüchtig A jealous woman Eine eifersüchtige Frau
Ene finge Plümo plumeau -Federbett A fine duvet Ein feines Federbett
Dat hat e Oche e Puttiksje boudique – Kleiner Laden – Kramladen She has a small shop in Aachen Sie hat in Aachen einen kleinen Laden
Dat kann deä us de lamäng la main - Hand He is just capable to do it Das kann der einfach so

Wir spielten weiterhin unsere Spiele, obschon uns Hitlers " Jungvolk mit seinen Appellen (noch so ein Wort französischen Ursprungs) ziemlich viel Zeit wegnahm. Auch das obligatorische Sammeln von Silberpapier und Stanniol, Kamillen- und Taubnesselblüten sowie Schafgarbe kostete Zeit und war lästig. Die Blüten wurden auf dem Dachboden der Schule auf alten Zeitungen oder Tapeten getrocknet und später abgeholt. Die körperliche Ertüchtigung in der Schule wurde jetzt konsequenter betrieben. Im Zeugnis hieß es auch nicht mehr Turnen, sondern " Leibesübungen " und die Noten hierin spielten eine ziemliche Rolle bei der Versetzung. Doch wir ließen uns nicht beirren und spielten weiter im Jüddeküllchen und in der Wiese von Dittmanns Loui fleißig Fußball. Manchmal spielten auch schon ältere Jungen mit, Arnold Benz z.B. oder Hans Kreutzer. Sie benutzten uns aber mehr oder weniger als Sparringspartner, gegen sie hatten wir keine Chance.

Im Frühjahr war die Zeit für Pfeil und Bogen, im Herbst für die Windvögel. Zeit für die berühmten und beliebten "Schwenkdouese" und die Steinschleudern war das ganze Jahr über.

Pfeil und Bogen waren damals besonders "in". Riedgras (Binsen) für die Pfeile wuchs massenhaft in den sumpfigen Brachzonen entlang des Baches zum Weiher. Auch am Ackersweiher stand Ried, war aber meist durch Kinder und Kühe zertrampelt. Das abgestorbene, harte Ried wurde mit einem scharfen Messer auf Pfeillänge zurechtgeschnitten, je nach Größe des Bogens zwischen 40 und 70 cm. Die Wachstumsknoten an den Riedhalmen mussten glatt verwachsen sein, sonst blieb der Pfeil Abschiessen hängen. In die untere Seite des Pfeils wurde eine Kerbe zum Auflegen auf die Bogensehne geschnitten. Auf das obere Pfeilende kam ein Stück ausgehöhlten Holunderstabes zur Stabilisierung des Pfeiles während des Fluges. Heinz Dittmann hatte mal oben auf einem Pfeil zusätzlich eine Stecknadel angebracht und damit unbeabsichtigt Jordans Johannes in den Po geschossen. Das Geschrei aller Be- und Unbeteiligten war natürlich groß. Die Bogen machten wir aus Bachweiden, manchmal auch aus Haselnußästen. Diese Hölzer federten besser als Buchen- oder Eichenholz, sie waren auch einfacher zu spannen. Allerdings verloren sie schon nach kurzer Zeit an Elastizität, weshalb sie oft ersetzt werden mussten. Doch der Broicher Wald war ja unerschöpflich. Geschossen wurde auf den Wiesen und Gewinner war, wessen Pfeil - senkrecht hochgeschossen - am längsten in der Luft blieb.

Jeder Schuss wurde von lautem Zählen begleitet, obschon die Indianer dies sicherlich nicht getan haben. Aber die schossen ja auch nicht in die Luft.

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